Bernhard Fink - Sie sind Soziobiologe und Antrophologe – und haben gerade eine Forschungsarbeit über die Attraktivität weiblicher (Gesichts)Haut abgeschlossen. Wie kommen Sie zu diesem Forschungsgegenstand?
Bernhard Fink, Universität Göttingen: Ich bin Verhaltensbiologe und auf das Fachgebiet der Evolutionspsychologie spezialisiert. Die beschäftigt sich mit mentalen Mechanismen, die sie als evolutionäre Anpassung versteht. Die Evolutionspsychologie ist aus der Soziobiologie hervorgegangen und besteht seit etwa 15 Jahren als eigenständige, wissenschaftliche Disziplin. Die Grenzen zu anderen Fachrichtungen (wie Verhaltensökologie und vergleichende Psychologie) sind aber fließend. Auch das Thema Partnerwahl ist ein Forschungsgegenstand: Dabei erkennen wir physische Attraktivität als Kriterium, das die Evolution geschaffen hat, um uns die Wahl eines Partners zu ermöglichen.Was genau haben Sie untersucht? Wie sind Sie vorgegangen?
Bernhard Fink: Es wurden 170 Frauen im Alter von 11 bis 76 Jahren fotografiert. Mittels Bildretusche wurden topographische Merkmale (Falten) auf den Fotos entfernt. Aus Frontal- und Profilaufnahmen wurden sogenannte Texturmappen erstellt, die auf ein formstandardisiertes dreidimensionales (3D) Kopfmodell übertragen wurden. Dies stellt sicher, dass andere Faktoren, wie die Gesichtssymmetrie völlig konstant gehalten werden. Die individuellen Texturmappen wurden auf das 3D-Kopfmodell angepasst, sodass wir eine Serie von standardisierten Gesichtern erhielten, die sich lediglich in der Hautpigmentierung und Färbung unterschieden haben.Anschließend beurteilten Testpersonen diese Modelle nach Alter, Gesundheit, Jugendlichkeit und Attraktivität. Die Hypothese war, dass jene Gesichter, die die (homogene) Haut junger Frauen hatten, auch jünger wahrgenommen werden - und höhere Beurteilungen bei Jugendlichkeit, Gesundheit und Attraktivität erhalten. Die Ergebnisse haben diese Hypothese eindeutig bestätigt. Standardisiert man die Form von Gesichtern, werden diese – rein auf Grundlage der Variation in der Hautpigmentierung – unterschiedlich alt wahrgenommen, und die Spanne erreicht dabei bis zu 20 Jahre!
Warum beziehen Sie sich bei Ihrer Untersuchung nur auf weibliche Haut? Kann man das Ergebnis auch auf männliche Haut übertragen?
Bernhard Fink: Vorläufig noch nicht - zumindest ist eine direkte Anwendung auf den Mann und dessen Hauterscheinungsbild nicht zulässig, da uns dazu noch Informationen fehlen. Männerhaut ist schwieriger zu untersuchen, da der Bart bei digitalen Bildanalysen ein zusätzlicher Faktor ist, den man schwer kontrollieren kann.Für das Rendering haben Sie die Gesichter von Mädchen und Frauen genutzt, deren Altersunterschied demnach bis zu 65 Jahre beträgt. Warum diese Altersunterschiede?
Bernhard Fink: Weil wir ein möglichst breites Spektrum an Variation in der Hautpigmentierung und Färbung haben wollten. Dies erreicht man nur durch eine große Altersspanne, zumal mit steigendem Alter auch die Hautschädigung durch UV-Strahlung steigt - und etwa Altersflecken häufiger werden.Was war das Ergebnis des Renderings, also das Ausgangsmaterial zur Beurteilung durch die Testpersonen?
Bernhard Fink: 169 formstandardisierte Gesichter (1 Gesicht musste aufgrund technischer Schwierigkeiten verworfen werden), die nur eine einzige Variation zeigten: Die Hautpigmentierung und Färbung. Selbst Augenbrauen, Haare und Lippen wurden standardisiert. Durch ein modernes (digitales) Beleuchtungssystem wurde ein fotorealistisches Bild eines jeden Gesichts geschaffen.Waren die Testpersonen, die anschließend die Bilder beurteilt haben, männlich und weiblich?
Bernhard Fink: Ja, Männer und Frauen.Gab es geschlechtspezifische Unterschiede bei der Beurteilung der Bilder?
Bernhard Fink: Nein. Es gab in der Beurteilung keine signifikanten Geschlechtsunterschiede, mit anderen Worten: die Beurteilungen durch Frauen und Männer fielen ähnlich aus.Können Sie das Ergebnis Ihrer Forschungsarbeit bitte kurz kommentieren? Lässt sich von der Hautfarbe auf innere Werte schließen?
Bernhard Fink: Eins vorweg: Das Ergebnis dieser Studie sagt nichts über Charakter aus! Es besagt, dass Menschen sensitiv für die Variation in der Hautpigmentierung (und zwar im Ausmaß und der Homogenität) sind, Unterschiede wahrnehmen, und in der Folge zu unterschiedlichen Alters-, Gesundheits-, und Attraktivitätseinschätzungen kommen. Homogene Haut, also eine Haut, die frei ist von Fleckigkeit wie sie im Alter zunimmt, erhält die beste Beurteilung und wird am jüngsten eingeschätzt. Wir sprechen hier vorerst über die Variation bei "hellhäutigen" (kaukasischen) Frauen und können noch keine Aussage über andere Hauttypen machen.Für wen ist das Ergebnis Ihrer Forschung von Bedeutung?
Bernhard Fink: Die Erkenntnisse aus dieser Studie werden unmittelbar von der Kosmetikindustrie verwertet. Die Daten zeigen, welche Bedeutung Fleckigkeit der Haut (etwa in Form von Altersflecken) hat. Als solches hilft unsere Forschungsarbeit bei der Entwicklung von Produkten, da sie zeigt, welche Unterschiede im Hauterscheinungsbild tatsächlich wahrgenommen werden. Darüber hinaus zeigt das Ergebnis, dass - abgesehen von Falten - die Pigmentierung einen entscheidenden Einfluss auf die Wahrnehmung eines Gesichtes hat.Sehen Sie sich als Attraktivitätsforscher?
Bernhard Fink: Ich bin Verhaltensbiologe und versuche, die Biologie des menschlichen Verhaltens aus evolutionärer Perspektive zu verstehen. Attraktivität ist dabei ein Forschungsbereich, der im Zuge der Partnerwahl des Menschen untersucht wird. Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit diesem Thema, aber nicht ausschließlich.Kann man Attraktivität erforschen? Lässt sie sich messen? Was sind gegebenenfalls die Kriterien?
Bernhard Fink: "Messen" in Form einer "Schönheitsformel" wie es manchmal behauptet wird, kann man Attraktivität nicht. Es gibt einige Irrwege beim Verständnis dessen, was physische Attraktivität ausmacht. Als Biologe sucht man nach Gesetzmäßigkeiten, die der Variation von Merkmalen zugrunde liegen, von denen wir wissen, dass sie bei der Beurteilung des Erscheinungsbildes eine Rolle spielen. Symmetrie und geschlechtstypische Merkmale, die unter Einfluss von Hormonen wie Testosteron und Östrogen gebildet werden, gehören dazu. Als Biologe versucht man Rahmenbedingungen der Entwicklung und Wechselbeziehungen zu verstehen. Kein vernünftiger Biologe wird "ein" Schönheitsideal postulieren. Aber: Wir wissen schon recht viel über die Bausteine, die zu körperlicher Attraktivität beitragen.Wenn auch nicht aus wissenschaftlicher Sicht - gibt es ein Schönheitsideal, das wir Laien als solches ansehen? Wie würden Sie es charakterisieren?
Bernhard Fink: Wie ich schon sagte: Von einer "Maske", die ein Schönheitsideal darstellen soll, wie sie teilweise in der Schönheitschirurgie postuliert wird, halte ich persönlich nicht viel.Und was sagt die Wissenschaft: Welche Kriterien machen Haut zu schöner Haut?
Bernhard Fink: Ebenmäßigkeit - in jeder Hinsicht. Falten sind das Hauptmerkmal von Alter, wohingegen die (mit dem Alter zunehmenden) Verfärbungen und Inhomogenitäten, wie sie durch UV-Schädigungen passieren, maßgeblich die Gesundheitswahrnehmung beeinflussen. Ein leichter Teint und eine gleichmäßige Durchblutung sind attraktiv.Sie erwähnten jetzt schon zum zweiten Mal die schädigenden UV-Strahlen. Welchen Einfluss hat Sonne auf die Schönheit unserer Haut?
Bernhard Fink: Sie hat Einfluss auf die kumulativen Veränderungen der Haut mit zunehmendem Alter. Altersflecken und Kontraste entstehen. Die Sonne ist ein entscheidender Faktor für das Erscheinungsbild der Haut, besonders im Gesicht, zumal keine andere Körperstelle während unseres Lebens so häufig und lange der Sonne ausgesetzt ist. Neben diesem Einfluss haben aber auch physiologische Veränderungen im Alter Einfluss auf die Beschaffenheit der Haut, in Bezug auf deren Elastizität, Durchblutung und Fähigkeit, Sonneneinstrahlung zu reflektieren. Es ist letztendlich das Zusammenspiel der Faktoren, die eine Haut rascher oder weniger rasch altern lassen.Wen oder was finden Sie persönlich schön?
Bernhard Fink: "Ästhetisch" ist für mich vieles im Leben. Es gibt wunderschöne Menschen, aber auch Orte, Stimmungen oder Dinge. Mein persönliches Schönheitsempfinden beschränkt sich demnach nicht auf Menschen - wenngleich ich als Mann von der Schönheit mancher Frauen immer wieder besonders fasziniert bin.Wenn Sie es selbst schon ansprechen: Analysieren Sie beim Blick in alltägliche Gesichter deren (Haut)Beschaffenheit oder können Sie den Forscherblick ausschalten?
Bernhard Fink: Ich kann den Forscherblick ausschalten - und muss dies auch. Allerdings verhalte ich mich trotz des objektiven Wissens dennoch wie jeder andere Mensch, über den ich als Wissenschaftler Aussagen mache, da auch meine Wahrnehmung von genau denselben Kriterien beeinflusst wird und denselben Wahrheiten oder Irrtümern unterliegt.Hat der Wissenschaftler Bernhard Fink einen Tipp: Was kann man tun oder sollte man lassen, um schöne Haut zu erhalten?
Bernhard Fink: Ich bin zwar kein Mediziner, aber ich empfehle Ihnen ein normales Maß an Feuchtigkeitspflege für die Haut. Dazu den sorgfältigen Umgang mit der Sonne und die konsequente Verwendung eines hohen Lichtschutzfaktors in Produkten. Dies - kombiniert mit der täglichen Körperpflege, dem Ausschluss offenkundiger ungünstiger Einflüsse wie Rauchen, Alkohol oder zu intensive Solariengänge - wird den meisten Erfolg zeigen.Welche Maßnahmen ergreifen Sie persönlich, um Ihre Haut schön zu pflegen?
Bernhard Fink: Ich setze ein normales, das heißt, nicht übermäßiges, Maß an Pflegeprodukten ein. Dazu gehören Feuchtigkeitscreme, spezielle Produkte für die Rasur und zeitweise eine leicht getönte Gesichtscreme. Für "Notfälle" gibt es dann noch ein kühlendes Gel, um die Augen "frischer" zu machen.Was ist Ihre nächste Forschungsaufgabe?
Bernhard Fink: Ich untersuche weiterhin die Signalwirkung der Haut und deren Bedeutung bei der Beurteilung physischer Attraktivität im Zuge der Partnerwahl. Wir wollen die Erkenntnisse aus unserer Grundlagenforschung anwendbar machen. Neben dem Thema "Haut" erforsche ich die Bedeutung von Körperbewegungen bei der Wahrnehmung und Beurteilung von Menschen.Sie haben unter anderem eine Onlineumfrage zu Körperhöhenpräferenzen laufen. Unter welcher Adresse ist sie zu finden?
Bernhard Fink: Interessierte können sich gerne hier www.evolutionary-psychology.de anmelden und mitmachen!Vielen Dank, Bernhard Fink, für diese umfassende Aufklärung in Sachen Hautschönheit!
Die wissenschaftlichen Arbeiten zum Nachlesen:
- Fink, B. & Matts, P.J. (2008). The effects of skin colour distribution and topography cues on the perception of female facial age and health. Journal of the European Academy of Dermatology and Venerology, 22(4), 493-498.
- Fink, B., Grammer, K., & Matts, P.J. (2006). Visual Skin Color Distribution Plays a Role in the Perception of Age, Attractiveness, and Health of Female Faces. Evolution and Human Behavior, 27(6), 433-442.